In eigener Sache

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Iggy Pop im Jahr 2009. Er sieht heute immer noch so aus.
Quelle: flickr, CC BY-SA 2.0. https://www.flickr.com/photos/20418970@N03/3662472073.

Ist es nicht seltsam, wenn Journalisten, etwa in der ARD oder der Süddeutschen Zeitung, von Zeit zu Zeit eine oftmals maximal belanglose Hausmitteilung „in eigener Sache“ verkünden; so als ob Journalismus, der etwas bewegen will, nicht überhaupt nur noch in eigener Sache funktionierte? Wer universell sein will, so hat es bereits vor Jahren der große Iggy Pop auf den Punkt gebracht, der muss maximal persönlich werden. Die Person hinter der Nachricht darf, sie muss sogar in ihrer Subjektivität sichtbar sein und sich nicht hinter der Chimäre von „Objektivität“ verstecken. Die Glaubwürdigkeit einer Nachricht steckt weniger in ihrem Gehalt als in ihrem Überbringer. Zumindest in diesem Sinne ist das Medium inzwischen tatsächlich zur Message geworden.

Wenn ich nun selber selbstreflexiv die „eigene Sache“ zum Gegenstand eines Beitrags mache, dann gibt es dafür zwar auch einen Aufhänger, aber vor allem einen tieferen Grund, der es rechtfertigt, kurz innezuhalten. Der Aufhänger: Ich habe vorige Woche eine E-Mail meiner Redakteurin der Zeitschrift „Mittelweg 36“ erhalten, für die ich in den vergangenen Wochen einen Aufsatz geschrieben habe (erscheint Anfang des kommenden Jahres – stay tuned!). „Wie soll denn die Autorennotiz lauten, die im Heft unter ihrem Beitrag steht?“, schrieb sie. „Da Sie, wenn ich das richtig sehe, aktuell nicht institutionell angebunden sind, bräuchten wir eine alternative Formulierung.“

Nun bin ich zwar formal institutionell angebunden, nämlich als Doktorand an der Universität zu Köln. Gefühlt bin ich aber seit Auslaufen meines Stipendiums am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung bereits vor über einem Jahr aus dem Bauch des akademischen Wales ausgespuckt worden. Deshalb hat die eigentlich harmlose Info-Frage der Redakteurin einen kleinen Sturm zwiespältiger Gefühle in mir ausgelöst und schließlich zu diesem kleinen Beitrag geführt. Der eigentlich nur eines will: Danke sagen. Oder, besser angepasst an die heutige Aufmerksamkeitsökonomie: DANKE!

Es war einerseits ein seltsames Gefühl zu merken, dass die Tatsache, nicht mehr vollständig im warmen Schoß einer Universität eingebettet zu sein, genährt von der trockenen Zitze einer (halben) Stelle oder eines dünnen Stipendiums, dass also diese Tatsache dazu führt, für die Redakteurin einer wissenschaftlichen Zeitschrift gleichsam unsichtbar zu werden.

Andererseits – und damit kommen wir zum tieferen Grund – löste die Irritation durch die Redakteurin ein „genau deshalb!“ in mir aus, das ebenso trotzig wie demütig und dankbar aus den tiefen meines Bauchs ins Hirn gekrochen kam. Dank Dir, liebe*r Unterstützer*in meiner Arbeit, kann ich es mir überhaupt leisten, Zeit für einen solchen Beitrag oder einen wissenschaftlichen Aufsatz wie für den Mittelweg aufzuwenden. Ich hatte keine Vorstellung davon, wohin genau die Reise gehen würde, als im Februar dieses Jahres aus einer irren Idee, dank der Hilfe guter Freunde (Laura und Finn, ihr seid der Shit!), ein Fundraising-Projekt wurde, das nicht nur den Wissenschaftsbetrieb vom Kopf auf die Füße stellte, sondern vor allem mich selbst in den Mittelpunkt.

Auch das fühlt sich zwar immer noch ein wenig seltsam an, aber Dein Geld und die zahlreichen rührenden Rückmeldungen waren und sind der Treibstoff, der mich durchhalten lässt. Und ja, ich bin stolz auf das, was entstanden ist. Dabei ist die eigene Leistung bisher sicherlich überschaubar: Die Dissertation ist noch nicht fertig (danke, alte Freundin Depression!) und der Aufsatz für den Mittelweg erscheint erst nächstes Jahr. Aber dass es möglich war, eine Schar treuer Unterstützer*innen zu versammeln, erfüllt mich mit Stolz. Dass ich also hier sitze, in der Marburger Universitätsbibliothek, und meinen Ausblick mit einem alten Handy und seiner kaputten Linse dokumentieren kann; dass ich hier sitze und schreibe: das ist Deine Leistung.

Ausblick.
Quelle: eigenes Werk.

Vielleicht ist diese Leistung größer, als Du ahnst. Wenn McLuhan Recht hat, wenn das Medium die Message ist, wenn wir persönlich werden müssen, uns als Personen mit all unseren Ecken und Kanten, mit Leistung und Frust und Freude und Depression, als Teil der Nachricht begreifen müssen; wenn all das stimmt: Dann wird das, was für den Journalismus zunehmend eingefordert wird, wohl vor der Wissenschaft kaum Halt machen.

Wie eine Wissenschaft aussehen müsste, die nicht nur ihre Sachen, sondern um ihrer Glaubwürdigkeit willen immer auch die Person des Wissenschaftlers thematisiert – in Zeiten von Fake News und Klimawandelleugner*innen sicherlich keine belanglose Angelegenheit –, ist vermutlich eine Frage für eine andere Gelegenheit. Aber vielleicht hast Du mit Deiner Unterstützung für mein Hirn dazu beigetragen, dass sie zumindest gestellt wird.

Danke.

3 Antworten auf „In eigener Sache“

  1. Megaa Daniel!!!! Das erinnert mich an Brene Brown. Sie beschreibt in einem ihrer Bücher einen ähnlichen Punkt, an dem sie sich überlegte wie persönlich Wissenschaft werden darf und sollte, bzw. in wie weit man als ForscherIn der eigener Persönlichkeit Raum geben darf (Ihr Forschungsthema: Scham & Verletzlichkeit)… ihre große Frage/Sorge war dabei in wieweit man dann noch in der akademischen Landschaft ernstgenommen wird. Gut für uns, dass sie sich aus der Anonymität irgendwelcher Titel und aus dem Versteck-Spiel abstrakter Spekulationen heraus gewagt hat und sich und ihrem Forschungsthema ganz konkret als ganzer Mensch zeigt!! GO Daniel!!!

    1. Hallo Tabea,
      danke für deinen Kommentar! Ich kann mit Brene Brown ja nicht so viel anfangen, finde sie eher effekthascherisch und inhaltlich ein bisschen dünn. Aber ich freue mich trotzdem, wenn das für dich positive Assoziationen weckt. 😉

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